Bahnhofsquartier Radolfzell am Bodensee

Ideenwettbewerb „Bahnhofsquartier Radolfzell am Bodensee“


Auftraggeber
öffentlich
Standort
Radolfzell am Bodensee
Zeitraum
2018-2020
Zeitraum
2020
Status
abgeschlossen
verantwortl. Partner
Jan Schulz, Felix Nowak


Städtebauliche Situation
Das Bahnhofsquartier liegt vor der gewachsenen Stadtkante von Radolfzell und besticht mit einem einzigartigen Ausblick über die Bahnanlagen zum Bodensee und der voralpinen Hügellandschaft. Eine höchst attraktive Lage, die von der optimalen Orientierung nach Süden profitiert und dabei über die Mobilitätsangebote entlang Bahnhofareals bestens an die Region angebunden ist.

Der ursprüngliche Zugang von der Stadt zum See wurde mit der Entwicklung von Ufer- und Gleisanlagen zunehmend getrennt. Eine Bebauung in der ersten Reihe vor der Stadt kann die Ausblicke auf den Bodensee neu fokussieren, stellt aber gleichzeitig auch einige charakteristische Blicke auf die Stadt Radolfzell wieder frei. Die Bebauung entlang des Gleiskörpers erzeugt hierdurch eine neue Stadtkante, welche sich in der Höhenentwicklung am Bestand orientiert und mit Freiräumen markante Stellen der Stadt offen hält. Als ein eigenständiges Ensemble verbindet sich das Bahnhofsquartier parallel zu den Gleisen entlang einer doppelten Erschließung, welche eine neue Geländekante zum Bodensee ausbildet. Die Promenade führt als Rad- und Fußweg auf der attraktiven Südseite der Bebauung an den beiden Extremen direkt zum Ufer und stärkt hierdurch nicht nur visuell die Verknüpfung zum Bodensee.

Verkehr und Erschließung
Zwischen Straße und Promenade entwickelt sich eine Abfolge von Gebäuden mit einer hohen Nutzungsvielfalt im Erdgeschoss und durchgesteckten Plätzen mit einer urbanen Dichte. Der öffentliche Raum im direkten Umfeld zum Bahnhof und der Unterführung wird weitestgehend von zusätzlichen Funktionen freigehalten und bleibt für Fußgänger reserviert.

Es entstehen Aufenthaltsqualitäten an der hoch frequentierten Verbindung, Zugänge zum ersten Gleis führen direkt zur neuen Stadtkante und zwei weitere Zugänge verbinden in der B-Ebene die Parkhäuser direkt mit den Gleisen. Hierdurch können optimale Verknüpfungen für unterschiedliche Verkehrsträger angeboten werden, welche sich im Bahnhofsquartiers entlang der bestehenden Erschließungsachsen selbstverständlich entwickeln können.

Auch der öffentliche Raum entwickelt sich entlang der Längsachsen und lädt an spannenden Stellen zum Verweilen ein. Über die Plätze werden auf kurzer Distanz unterschiedlichste Mobilitätsangebote vernetzt und die parallelen Erschließungsstränge ermöglichen eine eindeutige Orientierung für die vielfältigen Mobilitätsangebote mit teilweise hohen Flächenbedürfnissen.
Entlang der östlichen Bahnhofsstraße können in 1-3 Gehminuten zur Unterführung alle Doppelhaltestellen für großvolumige Gelenkbusse locker im ausgeweiteten Stadtraum integriert werden, wodurch ebenso die Erdgeschosszone der angrenzenden Bebauung aktiviert werden kann. Analog wird der engere Straßenraum auf der westlichen Seite des Bahnhofes als Aufstellfläche für kleinmaßstäblichere Fahrdienste genutzt.

Die Fahrrad-Infrastruktur entwickelt sich jeweils auf der Südseite entlang der neuen Promenade und ermöglicht mit den angrenzenden Freiflächen mehrere Angebote für oberirdische Stellplätze. Fahrradrampen führen auf beide Seiten des Bahnhofes direkt in die B-Ebene zu einem unterirdischen Fahrrad-Parkhaus mit direktem Zugang zur Unterführung. Auf dem Niveau der Unterführung schließen sich ebenso jeweils natürlich belüftete Tiefgaragen für PKWs an, welche den hohe Flächenbedarf für den ruhenden Verkehr weitestgehend abdecken können. Zusätzliche Stellflächen im öffentlichen Raum sollten lediglich für privilegierte Parkplätze zum Kurzparken, für Carsharing oder vergleichbare Angebote reserviert werden. Um der höchst attraktiven Lage einer südorientierten Stadtkante am See gerecht zu werden, wird auf oberirdische Parkhäuser verzichtet und das gesamte Planungsgebiet über zwei Garagenanlagen optimal ausgenutzt. Alle weitergehende Mobilitätsansprüche lassen sich über alternative Verkehrsangebote ausgleichen.

Bebauungskonzept
Das schmale Bahnhofsquartier wird durch eine Folge von Solitären bebaut, welche jeweils auf den besonderen Kontext reagieren und über vielfältige Nutzungen im Erdgeschoss den öffentlichen Raum zu einer belebten Kante der ganzen Stadt werden lassen. Durch die hohe Dichte an Erschließungen, Freiflächen und unterschiedlichen Nutzungen können sich die unterschiedlichen Ansprüche an den öffentlichen Raum optimal entfalten. Über der dreigeschossigen Bebauung entsteht darüber hinaus eine eigene Dachlandschaft­ mit ruhigen Orten und spannenden Ausblicken, die den einzelnen Gebäuden zugeordnet werden. Hier lassen sich neben privaten auch öffentlich zugängliche Nutzungen entwickeln.

Freiflächenkonzept
Der Stadtgraben, die historisch gewachsenen Grünflächen wie auch das Wegesystem von Radolfzell schließen selbstverständlich an die neue Stadtkante an. Plätze und Ausweitungen im Bahnhofsquartier reagieren auf Blickachsen und besondere Gebäude der Stadt und unterstreichen mit einem urbanen Charakter den Übergang zur Natur. Die beiden Anbindungen zum Ufer werden durch die Promenade zur Villa Bosch im Osten und der großzügigen Rampe im Westen besser integriert, wodurch sich das Bahnhofsquartier stärker mit der Uferpromenade verbindet. Sommergärten an der neuen Kante fördern die Aufenthaltsqualität an der neuen Stadtkante. Der Entwurf erhält die Balance von großflächigen Nutzungen im Erdgeschoss, hohen funktionalen Ansprüchen an die Mobilität, großzügigen ö‹ entlichen Räumen und Freiflächen mit Bezug zum Bodensee wie auch eine Reihe von attraktiven Nutzungen in den Obergeschossen und auf den Dächern. Das gemeinsame Untergeschoss, die Verkehrsinfrastruktur mit direktem Anschluss an die Bahnunterführung wie auch der öffentliche Raum und die Freiflächen werden mit der Stadt erstellt. Alle weiteren Wohn- und Geschäftshäuser wie auch das Hotel lassen sich unabhängig in eigenständigen Bauphasen weiter entwickeln. Ein übergreifendes TGA-Konzept ermöglicht hierbei besondere energetische Standards für das gesamte Bahnhofsquartier bereit zu stellen.

Materialität
Die doppelte Stadtkante greift die Moderne Architektursprache der Dachform des Bahnhofswettbewerbs auf. Mit der Fassade aus gebrannten Ziegelsteinen fügen sich neue Baukörper zwischen Stellwerk und Bahnhofsgebäude ein und vermittelt mit warmen Materialen eine gediegene Modernität die der hochwertigen Adresse entspricht. Mit einer Holz-Glas-Konstruktion öffnen sich die Gebäude ober- und unterhalb der horizontalen Fassade, welche mit sanften Knicken das Motiv der Landschaft thematisieren. Als Bodenbelag wird der durchgehende sandfarbene Pflasterbelag aus der Altstadt aufgegriffen und im Bereich des Shared-Space-Bereichs ebenso im Bereich der Fahrbahn eingesetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht:
Der Wettbewerbsbeitrag besticht besonders durch eine angemessene Dichte, Massstäblichkeit, einen sensiblen Umgang mit der Altstadtsilhouette, den Erhalt wichtiger Blickbeziehungen zwischen Altstadt und See sowie einem hohen Anteil an Grün- und Freiflächen.


Kategorie: Städtebau // Wettbewerb
Auszeichnung: 1. Platz

Team: Tim Friedrich, Johannes Heynold, Moran Lev, Milena Losic, June Saul, Johanna Schulte, Mirjam Weidmann