Wetbewerb für einen neuen Stadtteil in Wiesbaden Nordenstadt
Phase 1
Regionale Mobilität / lokale Nachbarschaften
Das Leben in Nordenstadt ist von jeher durch Mobilität und den Bezug zur Straße geprägt. Der ursprünglich als Straßendorf entstandene Ort liegt im Herzen der urbanisierten Landstadt der Metropolregion RheinMain. Die zukünftigen Bewohner des Wohngebietes „Hainweg“ werden weiterhin zu einem großen Teil in der Region vernetzt agieren. Der PKW wird als bisher wichtigstes Fortbewegungsmittel seine Bedeutung verändern und zukünftig nur ein Element innerhalb intelligent gestaffelter Mobilitätsketten bilden. Der häufige Wechsel der Verkehrsmittel in Abhängigkeit von Ziel und Zweck der Bewegung wird zunehmend den Alltag der Menschen bestimmen. Mit einer erweiterten und komplexeren Mobilität wachsen gleichzeitig die Ansprüche an die „Behaglichkeit“ des lokalen Umfeldes. Diese Ansprüche werden durch eine Quartiersstruktur begünstigt, die einerseits die Anbindung an das bestehende Straßen- und Wegenetz gewährleistet sowie eine Flexibilität in der Wahl der Verkehrsmitteln ermöglicht, gleichzeitig aber auch wichtige Verknüpfungen zum lokalen Umfeld herstellt. Der Entwurf für ein neues in Nachbarschaften gegliedertes Wohnviertel verbindet die östlich angrenzenden Quartiersstrukturen mit der Agrarlandschaft im Westen.
Die Mitte am Rand
Das öffentliche Leben und die lokalen Versorgungsstrukturen in Nordenstadt konzentrieren sich auf wenige Orte innerhalb der Ortschaft und sind teilweise schwach frequentiert. Die für das neue Wohngebiet „Hainweg“ erforderlichen Einzelhandels- und Gemeinbedarfsflächen sind nicht ausreichend, um einen weiteren belebten Quartiersmittelpunkt zu erzeugen. Sie werden daher am nördlichen Gebietsrand entlang der Heerstraße angesiedelt. Mit den dort bereits vorhandenen Einrichtungen verbinden sie sich zu einem kommunalen „Gravitationszentrum“, von dem sowohl die bestehenden Wohnquartiere nördlich der Heerstraße als auch das neue Viertel „Hainweg“ profitieren. Die Lage des Vollversorgers an der Ecke Heerstraße und Eichelhäherstraße zielt auf eine Minimierung der Verkehrsbelastung durch Liefer- und Besucherverkehre. Für den Kindergarten mit sieben Gruppen wurde ein Grundstück an der nordwestlichen Ecke des Gebietes gewählt, weil hier sowohl eine gute verkehrliche Erschließung als auch ein unmittelbarer Übergang zur Landschaft gewährt ist.
Spielstraßen und grüne Höfe
Das gesamte Gebiet ist in überschaubare Nachbarschaften von 50 bis 60 Wohneinheiten gegliedert. Diese sind jeweils um einen gemeinschaftlichen Freibereich gruppiert. Die westlich liegenden Nachbarschaften organisieren sich um eine zentrale Spielstraße, an der auch den Gebäuden zugeordnete Parkmöglichkeiten bestehen. Zwischen den Nachbarschaften liegen schmale öffentliche Grünstreifen, die alle Gebietsteile sowohl untereinander als auch mit dem Feldrand verknüpfen, an welchem auch die Regionalparkroute verläuft. Die östlich der zentralen Verbindungsstraße liegenden Nachbarschaften flankieren jeweils einen großzügigen, gemeinschaftlich genutzten Hofbereich, der sich nach Westen öffnet und so die Beziehung Richtung öffentliche Grünräume freigibt. Die zentrale Erschließungsstraße, die die Konrad-Zuse-Straße im Süden mit der Heerstraße im Norden verbindet, ist in ihrem Verlauf zwischen den neuen Nachbarschaften verkehrsberuhigt ausgebildet, so dass die Querverbindungen zwischen den einzelnen Quartieren und Freiräumen gefahrlos möglich ist. Ein kleineres Wohnquartier besetzt den östlichsten Teil des Plangebietes. Es führt die östlichen angrenzenden Bebauungsstrukturen fort. Zwischen den Reihenhaustypen und verbindenden Wohnwegen liegen kleine Nachbarschaftsplätze.
Elektromobilität, Energie und Wasser
Das gesamte Gebiet ist in einem + Energie-Standard konzipiert. Die südliche Gebietsgrenze wird von einer Zone gebildet, in der energie- und mobilitätsbezogene Nutzungen miteinander kombiniert werden. Auch Versickerungsflächen, Brauchwasseraufbereitungsanlagen und ein Blockheizkraftwerk befinden sich hier.
Phase 2
Städtebauliche und verkehrliche Einbindung
Der Entwurf gliedert das Plangebiet in mehrere Quartiere, die sich hinsichtlich ihrer Ausdehnung, Dichte und Körnung an den benachbarten Bebauungsstrukturen orientieren und deren Maßstäblichkeit aufnehmen. Zwei großzügige Grünzüge strukturieren das Gebiet zusätzlich und vernetzen es sowohl im Inneren wie auch mit der westlich angrenzenden Agrarlandschaft.
Die zentrale Gebietserschließung erfolgt über eine Verbindung zwischen Konrad-Zuse-Straße und Heerstraße, die nördlich in den Westring übergeht. Diese Erschließungsstraße wird verkehrsberuhigt ausgestaltet, so dass die Anbindung der neuen Wohnquartiere unproblematisch ist.
Nach Nordosten und Osten wird an die bestehenden Straßenzüge angebunden. Über die kleinteilige Fuß- und Radwegstruktur, sowie über die zentralen Grünzüge wird das Gebiet intern gegliedert und mit den angrenzenden Gebieten verknüpft.
Städtebauliche Struktur (Baukörper, Bautypologien)
Das Plangebiet wird in sieben Quartiere gegliedert, die jeweils durch eine charakteristische Bebauungstypologie gekennzeichnet sind. Dies erleichtert die Wiedererkennung in der „suburbanen Stadtlandschaft“ und in Bezug auf die benachbarten Wohnviertel in Nordenstadt. Entlang der zentralen Quartiersstraße sind etwas kompaktere und urbaner anmutende Bautypen angeordnet, die einerseits den Straßenraum fassen und betonen und sich andererseits in ihrer baulichen Ausprägung auf das jeweils dahinter liegende Wohnquartier beziehen.
Die unterschiedlichen Bautypen tragen einer zunehmenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierung Rechnung und ermöglichen unterschiedlichste Lebensformen. Gebietsstruktur, Erschließung und Parzellierung können im Zuge der Vermarktung variiert und verändert werden, ohne dass das städtebauliche Gesamtkonzept verloren geht. Gemeinschaftliche und besondere Wohnformen, Baugruppenmodelle, etc. sind ohne weiteres realisierbar. Eine neue Gebietsmitte wird zentral im südlichen Gebiet angeordnet, wo die Haupterschließungsstraßen zusammenlaufen. Hier befinden sich Gemeinbedarfsflächen für eine Kita und ein Jugendzentrum sowie ein Vollversorger, so dass ein neues gemeinschaftliches Gravitationszentrum entsteht.
Hierdurch wird zwar zusätzlicher (Liefer-)Verkehr für den Nahversorger ins Gebiet gezogen, gleichzeitig wird die Lärmbelastung für die angrenzende Bebauung durch die städtebauliche Anordnung minimiert. Außerdem sind die südlich der Konrad-Zuse-Straße liegenden Einzelhandelsangebote von hier aus gut fußläufig erreichbar, so dass Wege für die Nutzer gespart werden. Die relativ zentrale Anordnung im Gebiet trägt zu einer besseren Orientierung und Wiedererkennung bei.
Erschließung (Verkehrsflächen, Anbindung ruhender Verkehr, Fuß- und Radwege)
In den Quartieren bilden sich neue Nachbarschaften heraus, die sich jeweils um einen gemeinsamen Wohn- und Erschließungshof gruppieren. Dieser ist als Shared Space konzipiert. Da der Autoverkehr in diesen Bereichen sehr gering ist, können gemeinschaftliche Nutzungen, z.B. als Spielplatz oder Treffpunkt, überwiegen. In den gemeinschaftlichen Wohn- und Erschließungshöfen ist auch der überwiegende Teil der oberirdischen Stellplätze angeordnet. Der Weg vom Stellplatz zum eigenen Wohnhaus beträgt nie mehr als 50 m.
Entlang der neuen Haupterschließungsstraße finden sich Tiefgaragen, die den Stellplatzbedarf der Mehrfamilienhäuser decken. In den Randlagen des Wohngebietes finden sich straßenbegleitend Stellplätze für angrenzende Wohnhäuser, Kurzzeitparker und Besucher.
Grün- und Freiflächen (private und öffentliche Freiflächen)
Ein abgestuftes System öffentlicher, halböffentlicher und privater Freiflächen kennzeichnet den Entwurf: Die neue Quartiersmitte fungiert aufgrund der Bündelung von Gemeinbedarfsflächen und Nahversorgungsangeboten als zentraler Begegnungsort und öffentliches Gravitationszentrum. Um diesen Ort zu stärken, könnten ergänzende Angebote, wie z.B. Arztpraxen, kleine Büroeinheiten, gemeinschaftliche Nutzungen hier zusätzlich angelagert werden. Allen Wohnnutzungen sind in Abhängigkeit vom jeweiligen Bautyp private Freiflächen zugeordnet. Das Spektrum reicht von großen Gärten bei den Einfamilienhaustypen im Nordwesten bis hin zu kleinteiligen intimen Atrien und Wohnhöfen bei einigen anderen Bautypen. Den Mehrfamilienhäusern sind gemeinschaftlich zu nutzende Grünflächen zugeordnet. Diese können aber auch weiter ausparzelliert werden.
Energie- / Entwässerungskonzept
Für das gesamte Gebiet sollte ein integriertes Energie-Konzept zum Tragen kommen. Die einzelnen Gebäude sollten in einer energieeffizienten und ressourcenschonenden Bauweise realisiert werden. Ein Großteil der Dächer kann als Aufstellflächen für Photovoltaik genutzt werden. In der Kombination mit einem z.B. in der neuen Mitte anzuordnenden Blockheizkraftwerk kann das Gebiet energetisch flexibel und finanziell tragfähig realisiert werden. Auch wenn die suburbane Lage die Abhängigkeit vom eigenen PKW nahelegt, ist es wünschenswert und möglich, in der vorgeschlagenen städtebaulichen Struktur sharing- Modelle anzubieten. Die solaren Gewinne aus den privaten PV-Flächen können mit Elektromobilität sinnvoll verbunden werden.
Der Versiegelungsgrad innerhalb des Plangebietes soll minimiert werden. Shared Spaces und private Wohnwege sollen soweit möglich als wassergebundene Decke ausgebildet werden. Ein möglichst hoher Anteil der Dachflächen soll als Gründächer ausgebildet werden, um den Regenwasserabfluss zu verzögern und die Verdunstung zu begünstigen. Über ein großzügig angelegtes Regenwasserversickerungssystem, das die gesamten Dach- und Regenwässer aufnimmt und den Retentionsflächen zuleitet, wird das Wasser gezielt der Versickerung zugeleitet. Versickerungsbereiche (Rigolen) sind den einzelnen Wohnquartieren unmittelbar räumlich zugeordnet, so dass die Verdunstung kleinräumig geschieht und zur Verbesserung es Mikroklimas beiträgt. Brauchwasser sollte auf den einzelnen Grundstücken oder im Quartiersverbund aufbereitet und wiederverwendet werden.
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